Friedrich Thun-Hohenstein

* 1942

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  • "In 1968, wenn die Russen einmarschiert sind in Prag, war ich mit einem Freund in Prag. Ich habe davor gedreht und hatte viele Freunde, wunderbare Freundinnen. Und wir waren in der Nacht unterwegs und dann kam ein Mädchen reingelaufen und hat geweint und hat gesagt - die Russen kommen. Und wir hatten nicht verstanden. Das sind doch eure Freunde, was ist die Aufregung? In der Nacht habe ich überhaupt nicht gewusst, wo ich bin. Wir haben versucht, irgendwie nach Hause zu finden. Und dann bin ich am Wenzelsplatz gelandet in einem Café und da waren schon Freunde auch. Und dann sind Leute vorbei gelaufen mit einer blutigen Fahne und einer Frau darunter und die haben die Hymne gesungen. Kde domov můj, voda hučí po lučinách... Und da war eine Sendung vom Radio Pilsen und die haben gesagt: wir sind besetzt. Wenn wir jetzt die Hymne spielen, dann wissen sie, was los ist. Und das hat mich hergenommen wie verrückt. Da war ich plötzlich ein Tscheche und habe mich solidarisch gestellt und bin in den Straßen herumgelaufen. Dann sind wir gestanden am Graben, junge Tschechen haben uns Zigaretten angeboten... Da gab es wahnsinnige Szenen, weinende Soldaten, junge Burschen, die gar nicht gewusst haben, was sie da machen. Und die Hymne, meine Güte... Und dann haben wir organisiert, über die Botschaften, wir haben nicht gewusst, wie wir nach Hause kommen, wie wir rauskommen. Alle Schilder waren verdreht, wir haben nicht gewusst, ob die Grenzen zu sind. Und dann hatte ich eine Familie, meine Freunde und meine Freundin, die haben gesagt, sie kommen mit. Und dann habe ich einen im Kofferraum gehabt und habe nicht gewusst, wie wir rauskommen. Wir sind mit einer Schweizer oder österreichischen Fahne kolonnenweise zwischen den Panzern rausgefahren, das war für mich eine wahnsinnige Erfahrung. Da wurden Batterien gebraucht für Kofferradios. Wie ich nach Hause gekommen bin, nach München, habe ich Batterien gesammelt in allen Geschäften. Und Kofferradios. Und dann bin ich noch einmal an die Grenze gefahren und habe dann nicht gewusst, wie ich es verteilen soll."

  • "Mit dem VW Käfer bin ich auch nach Tetschen-Bodenbach gefahren. Das war damals noch russische Kaserne. Unten, beim Aufgang, da ist so ein langer Aufgang, da war ein Balken. Da bin ich hingefahren, da war ein Lastwagen, er ist durchgefahren, da fuhr ich auch hinauf. Und da oben beim Schlosseingang, da war noch ein Balken. Und da haben sie mich schon zurückgeschickt. Da war ich das erste Mal in Tetschen. Ich bin da hinauf, Kaserne war mir Wurscht, ich wollte mir das anschauen. Total verwahrlost alles. Jetzt prachtvoll. Das ist wirklich eine große Freude, wenn man das Gefühl hat, dass da, wo man ein Bezug dazu hat, dass das nicht verfallen ist oder missbraucht ist, dass keine Fabrik daraus gemacht wurde. Sondern, das es jetzt eine Zeit gibt, wo man das schätzt, wo die Leute wissen, dass das Tetschener Schloss irgendwie eine Identifikation ist für die ganze Gegend."

  • "Wir waren in Brünn und da hatten wir glaube ich zwei oder drei Koffer. Meine Mutter hat Dinge in Kwassitz noch einpacken können, wahrscheinlich nach dem Lager, ich weiß das nicht. Es waren unglaublich unvernünftige Dinge dabei, man hatte noch nicht die Erfahrung gehabt, was ist wichtig usw. Vater hatte einen Koffer mit Dokumenten und so. Und so sind wir eben nach Brünn gekommen und in Brünn hat mein Vater organisiert, über einen Freund, einen tschechischen Kommunisten, mit dem er befreundet war, hat er organisiert ein Lastwagen. Und der hat uns von Brünn and die Grenze gefahren, ich weiß nicht, wie die tschechische Grenze heißt, da, wo Waidhofen an der Thaya ist. Und daran erinnere ich mich noch sehr gut. Wir sind an die Grenze gekommen und da haben die Grenzer und die Frauen der Grenzer unsere Koffer aufgemacht und uns Dinge weggenommen. Mir hatten sie weggenommen, ich hatte so ein kleines Prager Jesulein. Es sind Erinnerungen, die unfassbar sind. Ich habe das nicht verstanden und die Eltern haben gesagt, es macht nichts. Und dann hat mein Vater diesen Koffer in der Hand gehabt und hat meinem ältesten Bruder gesagt, da drüben, wo die rote Fahne ist, das ist Österreich. Und da steht ein Mann und der winkt mit dem Taschentuch. Ein Verwandter, ein Gudenus. Wenn mir was passiert, nimm den Koffer und renn. Das war eine erstaunliche Bemerkung. Und dann sind wir aber über die Grenze gekommen zu den Gudenusen und waren in Waidhofen."

  • Celé nahrávky
  • 1

    München, 23.10.2023

    (audio)
    délka: 01:35:00
    nahrávka pořízena v rámci projektu Tschechisches Adel
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Es ist ein Freude zu sehen, dass das Eigentum, zu dem man eine Beziehung hat, nicht verfällt

Friedrich von Thun, 2023
Friedrich von Thun, 2023
zdroj: Natáčení

Der österreichische Schauspieler Friedrich von Thun (mit bürgerlichem Namen Friedrich Thun-Hohenstein) wurde am 30. Juni 1942 während des Krieges im Familienschloss in Kvasice (Kwasitz) bei Kroměříž (Kremiser) geboren. Sein Vater Arnošt (Ernst) wurde 1938 zur tschechoslowakischen Armee einberufen und unterzeichnete 1939 die Erklärung des böhmischen und mährschen Adels über die Zugehörigkeit zur Tschechoslowakei. Im Jahr 1943 nahm er jedoch die deutsche Staatsbürgerschaft an. Infolgedessen war die Familie nach dem Krieg Gewalt, Enteignung und einem langen Aufenthalt im Internierungslager in Kroměříž ausgesetzt. Im Jahr 1948 lebten sie in Brünn, doch nach einer Warnung tschechischer Freunde flohen sie kurz vor dem Putsch im Februar nach Österreich. Dort entdeckte Friedrich seine schauspielerischen Neigungen und schaffte es, sich durchzusetzen. Er widmete sich sein ganzes Leben lang diesem Beruf, der unter Adligen nicht üblich ist. Sein Vater war unterdessen viele Jahre lang als Sekretär von Otto von Habsburg tätig. Seit den 1960er Jahren besuchte Friedrich von Thun sein Heimatland als Schauspieler, im August 1968 war er dort auch bei Dreharbeiten. Er verfolgte die Besetzung aus nächster Nähe auf dem Prager Wenzelsplatz, in diesem Moment „fühlte er sich als Tscheche“ und brachte sogar einen seiner tschechischen Bekannten im Kofferraum seines Autos nach Deutschland mit. Friedrich von Thun ist dem tschechischen Publikum vor allem durch seine Rolle in der postrevolutionären Serie Das Kollier bekannt, in der er an der Seite von Libuše Šafránková einen Prager Deutschen spielte, sowie durch seine Rolle in dem Kultfilm Schindlers Liste. Die Restitutionen nach 1989 betrafen seine Familie nicht, aber Friedrich von Thun beklagt sein Schicksal nicht: „Das Schicksal hat mir in die Hände gespielt. Wären wir zu Hause geblieben, würde ich vielleicht statt zu schauspielern Rüben anbauen.“